Bisphosphonate werden erfolgreich bei malignen Knochenneoplasien, wie dem multiplen Myelom, bei Knochenmetastasen sowie bei metabolischen Erkrankungen wie der Osteogenesis imperfecta und bei Osteoporose eingesetzt. Ihr antiresorptiver Effekt hat eine signifikante Reduktion von Skelett-bezogenen Komplikationen wie Schmerz, hyperkalzämischen Episoden und Frakturen zur Folge. Somit wird eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten erreicht. Für einige Tumorentitäten ist darüber hinaus auch ein positiver Effekt für das Überleben nachgewiesen. Besonders bei über lange Zeit hoch-dosierten, intra-venös applizierten Bisphosphonaten sind akute Nebeneffekte wie Akute-Phase-Reaktionen sowie gastrointestinale und renale Beschwerden bekannt. 2003 wurde zum ersten Mal die bisphosphonat-assoziierte Nekrose der Kieferknochen als unerwünschte Nebenwirkung beschrieben. Per definitionem handelt es sich hierbei um einen länger als acht Wochen freiliegenden Knochen im Kieferbereich bei positiver Bisphosphonat-Anamnese, der in den meisten Fällen durch Verletzungen der oralen Mukosa hervorgerufen wird. Eindeutig belegt ist die recht hohe Prävalenz der BP ONJ bei maligner Grunderkrankung von bis zu 10 %. Damit einhergehend gelten Patienten mit maligner Grunderkrankung (intravenöse Bisphosphonatapplikation) als Hochrisikopatienten für die Entwicklung einer BP-ONJ. Enossale Implantate werden für dieses Patientenkollektiv von den meisten Arbeitsgruppen extrem kritisch gesehen und eher abgelehnt. Völlig anders wird das Risikoprofil bei der oralen Medikation mit Bisphosphonaten diskutiert, das bisher nicht eindeutig geklärt ist. Daher soll an dieser hier die Frage gestellt werden: Unterscheidet sich die Implantatprognose in durch mit oralen Bisphosphonaten vorbehandelten Kieferknochen von der gesunder Patienten.
Madrid C., Sanz M.
Welchen Einfluss haben systemisch applizierte Bisphosphonate auf die Therapie mit oralen Implantaten? Ein systematisches Review
What impact do systemically administrated bisphosphonates have on oral implant therapy? A systematic review
Clin Oral Implants Res. 2009 Sep;20 Suppl 4:87–95
Studientyp
Systematisches Review
Zielkriterien
Aufbearbeitung der Literatur mit der Frage nach der Implantierbarkeit von Patienten mit intravenöser oder oraler Bisphosphonat-Anamnese und der Beeinflussbarkeit dentaler Implantate durch Bisphosphonate.
Materialien und Methoden
Umfassende Literatur-Recherche 1966–2008. Eine prospektive und drei retrospektive Studien, insgesamt 217 Patienten, wurden eingeschlossen.
Wesentliche Ergebnisse
Aufgrund der eingeschränkten Qualität vorliegender Studien beschränkt sich das Review auf eine deskriptive Beschreibung der Ergebnisse. Anhand der eingeschlossenen Arbeiten konnten die Autoren lediglich schlussfolgern, dass die Einnahme oraler Bisphosphonate über weniger als fünf Jahre kein Risikofaktor für die dentale Implantation sein könnte.
Beurteilung
Die Autoren stellen die vorhandene Literatur synoptisch gegenüber. Sie selbst berichten korrekt, dass die Ergebnisse aufgrund geringer Fallzahlen und kurzer Beobachtungszeiten, keine eindeutigen Antworten zulassen. Auffällig ist, dass bisher praktisch ausschließlich retrospektive Daten zu dieser Thematik vorliegen.
Fugazzotto P.A., Lightfoot W.S., Jaffin R., Kumar A.
Einbringung dentaler Implantate mit und ohne simultane Zahnextraktion bei Patienten mit oraler Bisphosphonat-Anamnese: postoperative Heilung, kurze Nachbeobachtungszeit und die Inzidenz von Komplikationen in zwei privaten Praxen
Implant placement with or without simultaneous tooth extraction in patients taking oral bisphosphonates: postoperative healing, early follow-up, and the incidence of complications in two private practices
J Mass Dent Soc. 2007 Fall;56(3):28–32
Studientyp
Fallserie
Patienten
61 Patienten mit anamnestisch bekannter oraler Bisphosphonat-Medikation (im Durchschnitt 3,3 Jahre), bei denen 169 dentale Implantate inseriert und über einen Beobachtungsraum von einem Jahr nachuntersucht wurden.
Zielkriterien
Inzidenz von auf Hart- und Weichgewebe bezogenen Komplikationen post-Insertionem.
Wesentliche Ergebnisse
Innerhalb der Beobachtungszeit kam es zu keinem Fall von Osteonekrose des Kiefers. Alle Implantate waren in situ und erfolgreich (nach Kriterien von Albrektsson und Zarb). Daher schlussfolgern die Autoren, dass die Inzidenz einer bisphosphonat-assoziierten Kiefernekrose nach Plazierung dentaler Implantate nur minimal sei.
Beurteilung
Die Autoren konnten anhand einer Fallserie von Patienten mit oraler Bisphosphonat-Medikation und Implantatinsertion zeigen, dass es in diesem Kollektiv nach der Zeit von einem Jahr zu keinen Komplikationen gekommen war. Auch hier ist die mittlere Einnahmedauer zu gering für die potentielle Entwicklung einer Osteonekrose durch orale Bisphosphonate. Weiterhin ist das Kollektiv von 61 Patienten zu klein, um das tatsächliche Risiko der Entwicklung einer Osseonekrose treffend darzustellen.
Grant B.T., Amenedo C., Freeman K., Kraut R.A.
Resultate der Einbringung dentaler Implantate bei Patienten mit oraler Bisphosphonat-Medikation:
Ein Rückblick auf 115 Fälle
Outcomes of placing dental implants in patients taking oral bisphosphonates: a review of 115 cases
J Oral Maxillofac Surg. 2008 Feb;66(2):223–230.
Studientyp
Retrospektive Fallserie
Patienten
115 weibliche Patienten, die orale Bisphosphonate vor oder nach dem Eingriff zu sich genommen hatten (mittlere Einnahmedauer 38 Monate). Diese Patienten erhielten 468 Implantate. Als Kontrollgruppe dienten 343 weibliche Patienten ohne Bisphosphonat-Gabe, die 1450 Implantate erhalten hatten. Die chirurgischen Eingriffe wurden in der Zeit zwischen 01/1998 und 12/2006 durchgeführt. Die Nachbeobachtungszeit lag bei 48 Monaten.
Zielkriterien
Patienten mit Bisphosphonat-Anamnese wurden mit Patienten ohne Bisphosphonat-Einnahme bezüglich des Überlebens und des Erfolges (Kriterien nach Albrektsson und Zarb) dentaler Implantate verglichen.
Wesentliche Ergebnisse
In der Testgruppe waren 99,5 %, in der Gruppe der gesunden Patienten 99 % der Implantate osseointegriert und erfolgreich. Eine Osteonekrose der Kiefer wurde bei keinem Patienten berichtet.
Schlussfolgerung
Bei der Insertion dentaler Implantate bei Patienten mit positiver Bisphosphonat-Anamnese sollte zwischen intravenöser und oraler Bisphosphonatgabe unterschieden werden. Es besteht bei oralen Bisphosphonaten eine nur insuffiziente Evidenz, dass eine Vermeidung der Implantation notwendig ist.
Beurteilung
Die Autoren konnten anhand einer Gruppe von 150 Patientinnen mit anamnestischer oraler Bisphosphonat-Einnahme zeigen, dass diese keinen prädisponierenden Faktor für einen Implantatmisserfolg darstellt. Eine Osteonekrose trat im vorliegenden Kollektiv nicht auf. Die Patienten wurden mit einer ausreichend großen Kontrollgruppe verglichen. Allerdings handelt es sich um eine größtenteils retrospektiv angelegte Studie, die ihre Informationen vornehmlich aus einem den Patienten zugesandten Fragebogen erhielt. Nur 484 der angeschriebenen 1319 beantworteten den Fragebogen. Nur 72 Bisphosphonat-Patienten konnten klinisch nachuntersucht werden. Die mittlere Einnahmedauer von 38 Monaten ist gering für die potentielle Entwicklung einer Osteonekrose durch orale Bisphosphonate.
Berücksichtigt man diese ernüchternd geringe „Rücklaufquote“ so scheint die großzügige Schlussfolgerung nicht gerechtfertigt.
Shabestari G.O., Shayesteh Y.S., Khojasteh A., Alikhasi M., Moslemi N., Aminian A., Masaeli R., Eslami B., Treister N.S.
Implantatinsertion bei Patienten mit oraler Bosphonattherapie: eine Fallserie
Implant Placement in Patients with Oral Bisphosphonate Therapy: A Case Series
Clin Implant Dent Relat Res. 2009 Apr 23. Epub
Studientyp
Retrospektive Fallserie
Patienten
21 Patienten mit Osteoporose und 46 Implantaten (Straumann)
Zielkriterien
Implantatüberleben, periimplantäre Parameter
Wesentliche Ergebnisse
Keine Implantatverluste, keine Periimplantitis
Schlussfolgerung
Weder die Einnahme oraler Bisphosphonate vor noch nach der Implantatinsertion stellen ein relevantes Risiko für Implantatüberleben und Erfolg dar.
Beurteilung
Die Autoren schließen zwar, dass keine Priimplantitis aufgetreten sei, gleichzeitig findet man zehn von 46 Implantaten mit mehr als zwei Schraubenwindungen exponiert, sowie 14 von 46 mit Blutung. Dabei stellt sich, ohne Kontrollgruppe, die Frage nach der Bedeutung dieser doch eher auffällig hohen biologischen Komplikationen. Auf der Basis einer retrospektiven Fallserie auf die Sicherheit der Therapie zu schließen, ist sicherlich nicht durch die Daten gerechtfertigt, sondern eher Meinung der Autoren.
Kasai T., Pogrel M.A., Hossaini M.
Die Prognose enossaler Implantate bei Patienten mit Einnahme oraler Bisphosponate
The prognosis for dental implants placed in patients taking oral bisphosphonates
J Calif Dent Assoc. 2009 Jan;37(1):39–42
Studientyp
Retrospektive Analyse
Patienten
Alle weiblichen Patienten über 36 Jahren, die zwischen 1994 und 2006 Implantate erhielten
Zielkriterien
Komplikationsrate
Wesentliche Ergebnisse
Elf Patientinnen, die orale Bisphosphonate erhielten (BP), 54 Patienten ohne orale Bisphosphonat Einnahme (Kontrolle)
Überlebensrate: BP 86 %; Kontrolle 95 %
Schlussfolgerung
Orale Bisphosponate können die Verlustrate von Implantaten erhöhen, führen aber wohl nicht zu Osteonekrosen (BP.ONJ).
Beurteilung
Obwohl diese Studie eine recht kleine Fallzahl betrachtet, wird doch deutlich, dass die Implantatinsertion bei Patienten unter oraler Bisphosphonat-Therapie nicht als völlig risikolos angesehen werden kann. Auch in dieser Studie wird nicht über Augmentative Maßnahmen berichtet, die das Risiko noch verstärken können.
Synopsis
Zusammengefasst bestehen Hinweise aber keine signifikanten Beweise für die sichere Einbringung dentaler Implantate bei Patienten mit oraler Bisphosphonat-Medikation. Hierfür werden in Zukunft größere Kohortenstudien über längere Zeiträume notwendig sein. Die Frage der Augmentation bei dieser Patientengruppe bleibt völlig unbeantwortet. Eine sorgfältige Abwägung der Indikation und Risikominimierung scheint sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt noch angebracht. Bis weitere Daten vorliegen, darf das eventuelle Risiko nicht ignoriert werden und sollte, ebenso wie der Benefit einer implantat-getragenen Versorgung, mit dem Patienten in der frühen Behandlungsphase besprochen werden.
B. Al-Nawas, P. W. Kämmerer, Mainz