Leitlinien verständlich erklärt

DOI: 10.3238/ZZI.2020.0100−0104

S3-Leitlinie „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ *

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Schlüsselwörter: Diabetes mellitus HbA1c Periimplantitis Recall Risikofaktor Zahnimplantate bei Risikopatienten

Zusammenfassung: Diabetes mellitus weist in unserer Gesellschaft eine steigende Prävalenz auf. Es ist bekannt, dass Patienten mit Diabetes mellitus häufiger und schwerer von Parodontitis betroffen sind. Lange Zeit galt die Erkrankung als eine relative Kontraindikation für die dentale Implantologie, da auch hier von Störungen der Wundheilung und knöchernen Integration ausgegangen wurde. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass die dentale Rehabilitation mit Zahnimplantaten bei Patienten mit Diabetes mellitus ein sicheres und vorhersagbares Verfahren darstellt. Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes scheinen zwar eine verzögerte Osseointegration nach der Implantation aufzuweisen, doch gibt es nach einem Jahr keinen Unterschied in der Implantatstabilität zwischen Diabetikern und gesunden Personen. Vor Behandlungsbeginn sollte sich die Zahnärztin/der Zahnarzt informieren, wie gut die Erkrankung eingestellt ist. So ist bei der Anamnese nicht nur zu erheben, ob eine Diabeteserkrankung vorliegt, sondern auch die Erkrankungsdauer und der HbA1c-Wert sind zu erfragen. Hinweise auf eine verzögerte Osseointegration sind der Grund, die Indikation für eine Sofort- und Frühbelastung kritisch zu stellen. Da Patienten mit Diabetes mellitus auch ein erhöhtes Risiko für eine Periimplantitis haben, sollte eine risikoadaptierte Nachsorge durchgeführt werden.

Schlüsselwörter: Diabetes mellitus; Risikofaktor; Zahn­implantate bei Risikopatienten; HbA1c; Periimplantitis; Recall

Zitierweise: Naujokat H, Wiltfang J: Leitlinien verständlich erklärt. S3-Leitlinie „Zahn­implantate bei Diabetes mellitus“. Z Zahnärztl Implantol 2020; 36: 100−104

DOI.org/10.3238/ZZI.2020.0100−0104

* Teile dieses Beitrags wurde aus der Originalleitlinie übernommen: Wiltfang J, Naujokat H, Bormann KH, Jakobs W, Wiegner J-U: AWMF S3-Leitlinie Zahnimplantate bei Diabetes mellitus; DGI, DGZMK 2016

Einleitung

 

Diabetes mellitus ist eine chronische Krankheit mit steigender Prävalenz weltweit und wird zunehmend als „Volkskrankheit“ bezeichnet. Aktuelle Statistiken weisen weltweit 451 Millionen Betroffene im Erwachsenenalter auf (2017) und prognostizieren einen Anstieg auf 693 Millionen im Jahr 2045 [8]. Der Typ I ist durch einen absoluten Insulinmangel bedingt durch eine Schädigung der beta-Zellen des Pankreas definiert, während dem Typ II ein relativer Insulinmangel durch Insulinresistenz zugrunde liegt. Der Typ II ist vor allem in der westlichen Welt häufiger, gehört dem metabolischen Syndrom an und betrifft vorrangig ältere Patienten. Durch die Störung im Kohlenhydratstoffwechsel kommt es zu vielfältigen Folgeerkrankungen, welche durch eine Mikro- und Makroangiopathie bedingt sind. Es ist bekannt, dass Patienten mit Diabetes mellitus häufiger und schwerer von Parodontitis betroffen sind [5]. Lange Zeit galt Diabetes mellitus als eine Kontraindikation für die dentale Implantologie, da hier von Störungen der Wundheilung und knöchernen Integration ausgegangen wurde. Auch eine erhöhte Rate an Periimplantitis und Implantatversagen wurde postuliert. Die dentale Implantologie hat sich in den letzten Jahren zu einer sicheren, vorhersagbaren und deswegen weit verbreiteten Therapie der dentalen Rehabilitation entwickelt. Durch die steigende Prävalenz des Diabetes mellitus und der Verbreitung der Implan­tologie kommt es immer häufiger zu der Konstellation, dass Diabetiker den Wunsch nach der Implantatinsertion äußern. In den letzten Jahren wurden mehrere Studien publiziert, die den Diabetes mellitus als relative Kontraindikation in Frage stellen. Die vorliegende S3-Leitlinie stellt mit ihren evidenzbasierten Statements und Empfehlungen eine Entscheidungshilfe für die Behandler sowie die Patienten dar, wie ein erfolgreiches Management der Implantattherapie in dieser Patientengruppe erfolgen kann.

Evidenzbasiertes Statement 1:

Die dentale Rehabilitation mit Zahn­implantaten bei Patienten mit Diabetes mellitus stellt ein sicheres und vorhersagbares Verfahren dar.

Diabetes mellitus und Osseointegration

Osseointegration beschreibt den Prozess der knöchernen Einheilung des Implantats durch Bildung eines direkten Kontakts zwischen Implantatoberfläche und Knochen, ohne dazwischenliegendes Weichgewebe. Dieser Prozess ist Voraussetzung für die Implantatstabilität und ein entzündungsfreies Überleben. Nach Implantatinsertion kommt es zu Umbauvorgängen des umgebenden Knochens mit Migration und Proliferation von Osteoblasten und des Stützgewebes. Zwei prospektive Studien untersuchten den Einfluss von Diabetes mellitus Typ II auf die Osseointegration [20, 21]. In beiden Studien wurden die Patienten anhand des HbA1c-Wertes, welcher als Marker für die Blutzuckereinstellung der letzten 2–3 Monate gilt, eingeteilt. Als gut eingestellt galt hier ein HbA1c-Wert von 6,1–8 %, ein mäßig kontrollierter HbA1c lag bei 8,1–10 % und schlecht eingestellt war ein Wert von ≥ 10 %. In der gesunden Kontrollgruppe lag der HbA1c-Wert bei ≤ 6 %. Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus wiesen eine geringere Stabilität der Implantate in den ersten 2–6 Wochen auf. In den folgenden Wochen erreichte die Stabilität jedoch wieder die Baseline, allerdings dauerte dies in der Gruppe der Patienten mit schlechter Blutzuckereinstellung doppelt so lange wie in der gesunden Behandlungsgruppe. Bei Betrachtung der Stabilität der Implantate ein Jahr nach der Insertion ließ sich kein Unterschied zwischen den Gruppen feststellen, auch nicht in der Gruppe mit dem schlecht kontrollierten HbA1c.

Evidenzbasiertes Statement 2:

Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus scheinen eine ver­­zögerte Osseointegration nach der Implan­tation aufzuweisen. Nach einem Jahr scheint es jedoch keinen Unterschied in der Implantatstabilität zwischen Diabetikern und gesunden Personen zu geben, auch nicht bei schlecht eingestelltem HbA1c.

Diabetes mellitus und Periimplantitis

Die im Rahmen der Literaturrecherche identifizierten Studien kommen zu heterogenen Schlussfolgerungen, welchen Einfluss Diabetes mellitus auf das Auftreten sowie den Schweregrad der Periimplantitis hat. Die Untersuchung des periimplantären Gewebes auf Symptome einer Inflammation 2 Jahren nach der Implantatinsertion hat bei Diabetikern gezeigt, dass die Zahl der Patienten, die an periimplantären Entzündungen litten, mit erhöhtem HbA1c steigt. Die Probanden wurden dabei in gut (HbA1c 6–8 %), mäßig (HbA1c 8–10 %) und schlecht eingestellt (HbA1c > 10 %) eingeteilt, leider gab es keine Kontrollgruppe mit gesunden Patienten [1]. Querschnittsstudien zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben ein erhöhtes relatives Risiko einer Periimplantitis von 1,9 nach 6 Monaten bis 5 Jahren [12] und von 4,1 nach 10 Jahren [9] durch Diabetes mellitus im Vergleich zur Population ohne Diabetes mellitus nachgewiesen. Es zeigt sich weiterhin, dass Patienten mit erhöhten HbA1c-Werten nach 3 Jahren mehr Knochenresorptionen periimplantär aufweisen, aber dass dieser Effekt klinisch nicht signifikant ist. Die Blutung auf Sondieren trat häufiger in der Patientengruppe mit schlechter Diabeteseinstellung auf, die Sondierungstiefen hingegen waren nicht erhöht [16]. Auf der anderen Seite finden sich auch Studienergebnisse, die keinen Hinweis auf einen geringeren klinischen Erfolg ein Jahr nach der Implantation bei Diabetikern detektieren [25]. Auch wenn die Studienergebnisse zu heterogen Ergebnissen kommen, sollte der Diabetes mellitus als ein Risikofaktor für periimplantäre Komplikationen eingestuft werden und die Patienten, unter Berücksichtigung möglicher weiterer lokaler und systemischer Faktoren, in ein entsprechend enges Recall aufgenommen werden.

Evidenzbasiertes Statement 3:

Diabetes mellitus scheint in den ersten Jahren kein erhöhtes Risiko für periimplantäre Entzündungen darzustellen. Im Gegensatz dazu scheint das Risiko für periimplantäre Entzündung mit steigender Dauer nach der Implantation anzusteigen.

Diabetes mellitus und Implantatüberleben

Implantatüberleben ist ein eindeutig definierter und einfach zu erhebender Endpunkt für den Erfolg der Therapie mit Zahn­implantaten. Fast jede Studie gibt die Implantat-Überlebensrate an, so konnten die Ergebnisse aus 18 Publikationen in die Leitlinie einfließen. Zur Auswertung wurden diese Studien in 2 Gruppen eingeteilt, die erste umfasst Studien mit einer Beobachtungszeit von bis zu einem Jahr, die zweite Gruppe Studien mit längeren Zeiträumen. Das Implantatüberleben bei Diabetikern lag in der Kurzzeitgruppe zwischen 100 und 96,4 % und unterscheidet sich nicht von dem in der Kontrollgruppe der Nicht-Diabetiker [3, 10, 11, 15, 21]. Die beiden Studien ohne Kontrollgruppe zeigen eine Überlebensrate von 100 % jeweils 4 Monate und ein Jahr nach der Implantation [17, 25]. Die Zeiträume der Studien der Langzeitgruppe liegen zwischen einem Jahr und 20 Jahren und weisen teils heterogene Ergebnisse auf. Auf der einen Seite sind die Überlebensraten bei Diabetikern vergleichbar mit den Ergebnissen der gesunden Behandlungsgruppe: 95,1 vs. 97 %, 97,2 vs. 95 %, 92 vs. 93,2 % und 97 vs. 98,8 % [4, 7, 18, 24]. Auf der anderen Seite gibt es 2 Studien, die über ein erhöhtes relatives Risiko für Implantatversagen bei Patienten mit Diabetes mellitus von 4,8 und 2,75 berichten [9, 19]. Die Studien ohne eine gesunde Vergleichsgruppe zeigen Überlebensraten von 100–86 % nach 2 Jahren [2], 97,3 und 94,4 % nach einem und 5 Jahren [23] und 91–88 % nach 5 Jahren [22], die vergleichbar mit den Überlebensraten bei gesunden Patienten sind. Demgegenüber steht eine Arbeit mit einer Überlebensrate von 85,6 % nach 6 Jahren, welche niedriger ist als bei Nicht-Diabetikern. Die meisten Misserfolge wurden in dieser Studie im ersten Jahr nach der prothetischen Versorgung beobachtet [13].

Evidenzbasiertes Statement 4:

Die Überlebensraten von Implantaten zeigen bei Diabetikern in Studien von bis zu 6 Jahren keine signifikanten Unter­schiede zu Nicht-Diabetikern, in einem Beobachtungszeitraum bis zu 20 Jahren ist eine reduzierte Implantat-Überlebensrate bei Diabetikern erkennbar.

Evidenzbasierte empfehlungen für den praktiker

  • Vor Behandlungsbeginn sollte sich der Behandler über die Einstellung des Diabetes mellitus informieren. Die Einstellung sollte dem Zielkorridor nach der Nationalen Versorgungsleitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes“ entsprechen.
  • Aufgrund von Hinweisen auf eine verzögerte Osseointegration sollte die Indikation für eine Sofort- und Frühbelastung kritisch gestellt werden.
  • Da Patienten mit Diabetes mellitus ein höheres Risiko für Periimplantitis aufweisen, sollte eine risikoadaptierte Nachsorge nach Implantatinsertion erfolgen.
  • Bei Anwendung augmentativer Verfahren sollte ein zweizeitiges Vorgehen unter Berücksichtigung von Art und Umfang der chirurgischen Maßnahmen bevorzugt werden.
  • Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums (single shot präoperativ) und Anwendung chlorhexidinhaltiger Mundspülung sollten erfolgen.

Diabetes mellitus und Knochenaufbau

Insgesamt gibt es wenig Literatur zu augmentativen Maßnahmen bei Patienten mit Diabetes mellitus. In einer klinischen Studie wurden Typ-II-Diabetiker mit guter Blutzuckereinstellung (HbA1c 6–7,5 %) und einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von 7,5 Jahren mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. Zur Augmentation des Oberkiefers wurde mit einem Knochenschaber autologer Knochen des Ramus mandibulae gewonnen und mit einem synthetischen Knochenersatzmaterial gemischt. Nach Abdeckung mit einer Kollagenmembran erfolgte die guided bone regeneration. Das Ergebnis nach einem Jahr zeigte, dass hinsichtlich der Wundheilung, des Augmentatvolumens und der radiologischen Befunde kein signifikanter Unterschied zwischen Diabetikern und Nicht-Diabetikern besteht [11]. Die 2. klinische Studie bestand aus einer Gruppe von Probanden, welche an Typ-II-Diabetes mellitus erkrankt sind und einer gesunden Kontrollgruppe. Diese wurden entweder mit oder ohne Sinuslift mit dentalen Implantaten versorgt. Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen der Nachuntersuchung, dass gut kontrollierte Diabetiker mit einem mittleren HbA1c von 7,2 % die gleichen Erfolgsraten bezüglich der Implantate und der Augmentation wie Gesunde aufweisen. Es wurde kein Unterschied bei der Untersuchung der Knochenresorption zwischen Diabetikern und Nicht-Diabetikern festgestellt [24]. Untersuchungen zu den Erfolgsraten bzw. Komplikationen anderen Augmentationsverfahren liegen nicht vor.

Evidenzbasiertes Statement 5:

In der Literatur finden sich keine Hinweise darauf, dass Augmentationsverfahren wie Guided Bone Regeneration und Sinuslift eine höhere Komplika­tions- und Fehlerrate bei Patienten mit gut eingestelltem Diabetes mellitus aufweisen.

Einfluss von Erkrankungsdauer und Blut­zuckereinstellung

Mindestens genauso wichtig wie die Feststellung, ob ein Patient an Diabetes mellitus erkrankt ist oder nicht, ist die Frage, wie gut die Einstellung des Blutzuckers durchgeführt wird. Die Nationale Versorgungsleitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes“ gibt einen Zielkorridor für den HbA1c von 6,5–7,5 % vor [6]. Die Definition eines „gut“, „mittel“ und „schlecht“ eingestellten Diabetes war in den präsentierten Studien teils etwas divergierend. Unabhängig davon haben aber die Mehrzahl der Studien ein besseres Implantatüberleben und weniger periimplantäre Komplikationen in den gut eingestellten Gruppen aufgezeigt. Dem gegenüber stehen 3 Studien, die diesen Effekt nicht nachgewiesen haben. Ferner liegt sogar eine Studie vor, die ausschließlich Patienten mit schlechter Blutzuckereinstellung (HbA1c 7,5–11,4 %) behandelt hat, bei denen sich nach 4 Monaten ein Implantatüberleben von 98 % zeigte. Der Autor hat daraus geschlossen, dass die dentale Implantologie selbst bei schlecht eingestellten Diabetikern erfolgreich ist [17]. Unabhängig von den genannten Ergebnissen sollte jedoch, wenn bei den Patienten ein schlecht eingestellter Diabetes vorliegt, eine Verbesserung der Situation mit dem betreuenden Hausarzt angestrebt werden, da neben den zahnärztlichen/implantologischen Aspekten viele weitere Folgeerkrankungen und Komplikationen durch die Güte der Diabeteseinstellung beeinflusst werden.

Es ist plausibel, dass mit längerer Erkrankungsdauer des Diabetes mellitus die systemischen Auswirkungen durch ein Fortschreiten der Mikro- und Makroangiopathie zunehmen, jedoch ist der Einfluss der Erkrankungsdauer auf die Ergebnisse der Implantation nur unzureichend untersucht. Die meisten der eingeschlossenen Studien (17 von 22) präsentierten keine Daten zur Erkrankungsdauer des Diabetes mellitus. In 5 Studien wurden diese Daten angegeben, aber lediglich 2 von ihnen untersuchten den Einfluss der Erkrankungsdauer auf das Implantatüberleben. Während eine Arbeitsgruppe zu dem Schluss kommt, dass die Erkrankungsdauer mit einem erhöhten Implantatversagen in Verbindung gebracht werden kann [22], ist in der Untersuchung der anderen Arbeitsgruppe kein Zusammenhang erkennbar [24]. Somit kann kein evidenzbasiertes Statement abgeleitet werden.

Einfluss einer adjuvanten Therapie

Es bestehen Kontroversen über die prophylaktische Verwendung von Antibiotika bei gesunden Patienten nach der Implantatinsertion. Dem potenziellen Nutzen der antibiotischen Therapie steht das Risiko von Nebenwirkungen gegenüber. Die DGZMK-Stellungnahme „Systematische Antibiotikaprophylaxe bei Patienten ohne Systemerkrankungen zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionen“ empfiehlt diese ausdrücklich bei zahnärztlichen Implantaten und Augmentationen [27]. Bei Diabetikern wird diese sowohl zur Verbesserung des Therapieerfolgs als auch zum Infektionsschutz des Patienten empfohlen. Auch von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts wird in der Empfehlung „Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet“ [14] die perioperative präventive single-shot Antibiotikatherapie bei Diabetikern empfohlen. Der Grund ist die negative Beeinflussung des Immunsystems, die zu Wundheilungsstörungen und Infektionen führen kann. Einige Autoren empfehlen die Verabreichung eines Antibiotikums für 5–7 Tage nach der Operation, andere sind der Ansicht, dass es keine signifikante Reduktion von Wundinfektionen bei der Anwendung von Antibiotika länger als einen Tag postoperativ gibt. Die Literaturrecherche für die Leitlinie ergab eine prospektive Studie, die einen eindeutigen Nutzen der perioperativen antibiotischen Therapie sowohl bei Typ-II-Diabetikern als auch Nicht-Diabetikern zeigte. Für Implantate in der Gruppe der Nicht-Diabetiker verbesserte sich das Implantatüberleben nach 3 Jahren durch die Applikation des Antibiotikums um 4,5 %. Die Verbesserung der Überlebensrate ist in der Gruppe der Typ-II-Diabetiker mit 10,5 % deutlich größer ausgefallen. Diese Unterschiede stellen eine klinisch signifikante Verbesserung dar [18]. Leider gaben die Autoren weder das verwendete Präparat noch dessen Dosierung oder Anwendungszeitraum an.

Des Weiteren gab es eine deutliche Verbesserung des Implantatüberlebens bei Patienten mit Typ-II-Diabetes mellitus durch die Anwendung von Chlorhexidin-Mundspüllösung zum Zeitpunkt der Implantation von 85,6 zu 95,6 %. Dieser Unterschied in der Überlebensrate (9,1 %) war ausreichend groß, um als klinisch signifikant angesehen zu werden. Bei der Nicht-Diabetiker-Kontrollgruppe war dieser Effekt nicht in diesem Ausmaß nachweisbar. Das Implantatüberleben erhöht sich durch die CHX-Anwendung von 91,3 auf 94,3 % [18, 22]. In der Literatur wurde lediglich Chlorhexidin untersucht. Andere topisch anzuwendende Antiseptika kamen in keiner Untersuchung zur Anwendung, so dass dazu keine Aussage getroffen werden kann.

Evidenzbasiertes Statement 6:

Es liegen Hinweise vor, dass eine adjuvante Therapie mit prophylaktischer Gabe eines Antibiotikums und Anwendung chlorhexidinhaltiger Mundspülungen den Behandlungserfolg verbessert.

Interessenkonflikte: Die Autoren Dr. Dr. Hendrik Naujokat und Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang geben an, dass im Zusammenhang mit diesem Beitrag kein Interessenkonflikt besteht. Beide Autoren haben die S3-Leitlinie „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ verfasst und koordiniert. ■

→ Dr. Dr. Hendrik Naujokat

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

hendrik.naujokat@uksh.de

 

→Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang

Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

joerg.wiltfang@uksh.de

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(Stand: 08.06.2020)

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