Ziel: Der Beitrag stellt ein Konzept vor, das Behandlerinnen und Behandlern auch in der Nachsorge mehr Sicherheit und für den Patienten Komfort bei günstigen Gesamtkosten bietet.
Material und Methode: Die 2 Patientenfälle zeigen exemplarisch, wie mit titanverstärkten Kunststoffbrücken auch langfristig stabile, festsitzende Versorgungen für den ganzen Kiefer hergestellt werden können. Die Brücken sind leicht reparabel und können auch im Falle eines Implantatversagens ohne eine komplette Neuanfertigung erweitert oder umgebaut werden. Für die Chirurgie werden die wichtigsten Einflussfaktoren für die Sofortversorgung aufgezeigt.
Schlussfolgerung: Auch unter Verwendung analoger prothetischer Techniken lassen sich langfristig erfolgreiche festsitzende Brücken für den ganzen Kiefer herstellen. Entscheidend sind die Patientenauswahl und Compliance, Information und Aufklärung, Verteilung der Implantate im Kiefer und das anfängliche Einbringdrehmoment.
Schlüsselwörter: Sofortversorgung; Implantat; Prothetik; Materialauswahl; 3D-Planung; Primärstabilität; remote implant anchorage
Zitierweise: Mankow D: Ein prothetisch-chirurgisches Konzept. Z Zahnärztl Implantol 2023; 39: 86–92
DOI.org/10.53180/ZZI.2023.0086-0092
Einleitung
Die Sofortversorgung eines zahnlosen Kiefers mit einer festsitzenden, verschraubten Brücke wurde Ende der 1990er Jahre in der Literatur beschrieben und ist, durch zahlreiche Studien belegt, eine erwiesenermaßen erfolgreiche Behandlungsoption [6, 10, 11, 12, 13, 16]. Der zahnlose oder auch prospektiv zahnlose Patient hat heute neben der Totalprothetik die Möglichkeit einer herausnehmbaren oder festsitzenden Prothetik auf Implantaten. Das Für und Wider dieser verschiedenen Optionen soll hier nur insoweit thematisiert werden, als dass der Patient durch eine entsprechende Beratung und Aufklärung in der Lage sein muss, zusammen mit dem Behandler oder der Behandlerin eine Wahl zu treffen. Die Patienten-Compliance und der Wille zu einer guten Mundhygiene sind sicherlich Voraussetzungen für jede Versorgung mit Implantaten.
Neben der All-on-x-Technik, die auf die maximale Nutzung des ortsständigen Knochens fokussiert, gibt es natürlich auch eine Fülle von augmentativen Verfahren, die ein ähnliches Behandlungsergebnis liefern können.
Technische Grundlagen
Im Sinne einer Rückwärtsplanung werden zunächst Planungsmodelle erstellt, die Bisslage bestimmt und ästhetische Parameter gewonnen. Diese Daten werden für eine Wachsaufstellung verwendet, die bei einem teilbezahnten Kiefer aber nicht einprobiert werden kann, sondern erst nach der Implantation weiter genutzt wird (Abb. 1).
Um das Risiko einer Gerüstfraktur zu verringern, ist die Basis der Brücke ein verschweißtes Titangerüst mit speziellen Schweißaufbauten [10, 14] (Abb. 2). Jeder Prothesenzahn wird zusätzlich durch eine an das Titangerüst geschweißte Retention stabilisiert (auf Abb. 2 noch nicht erfolgt). Es werden Candulor-Kunststoffzähne (Candulor Dental GmbH, Rielasingen-Worblingen, Deutschland), crea.lign und top.lign Kunststoffe (bredent GmbH & Co KG, Senden, Deutschland) für die Verblendung des Gerüsts verwendet. Die der Gingiva aufliegenden Bereiche der Brücke werden leicht konvex gestaltet, um eine einfache Reinigung zu ermöglichen (Abb. 3).
Putzkanäle werden von mir heute nicht mehr eingearbeitet, da viele Patienten vor allem bei den Seitenzähnen nicht in der Lage sind, diese mit Superfloss oder Zwischenraumbürste zu nutzen und eher Beschwerden durch eingeklemmte Nahrungsbestandteile (Körnerbrötchen) haben. Der so gefertigte Zahnersatz wird auf den Multi-unit-Aufbauten nach 24 Stunden verschraubt und Okklusion und Artikulation werden überprüft.
Nach 3–6 Monaten wird dieselbe Brücke unterfüttert, um den aufgetretenen Gewebeverlust auszugleichen [4] (Abb. 4). Auf eine konvexe Ausgestaltung der Basis sollte weiterhin geachtet werden. Gleichzeitig können dann bei Bedarf auch noch andere Änderungen an dieser Brücke vorgenommen werden. Mit- und weiterentwickelt wurde dieses Konzept von ZT Volker Samrei, Teneriffa, Spanien.
Chirurgische Grundlagen
Für eine erfolgreiche Sofortbelastung haben sich einige Einflussfaktoren herauskristallisiert. Die Implantate sollten so gesetzt werden, dass ein großes Unterstützungspolygon entsteht. Im Oberkiefer kann dies durch Implantate distal der Kieferhöhlen erreicht werden. So können lange Extensionsbrückenglieder vermieden werden (Abb. 5).
Das Gesamtdrehmoment aller inserierten Implantate sollte größer als 120 Ncm sein [9, 17]. Wobei man das mögliche Einbringdrehmoment durch das Implantatdesign und die Aufbereitungstechnik beeinflussen kann. Konische Implantate ermöglichen höhere Einbringdrehmomente als zylindrische im gleichen Knochentyp [2, 3, 19]. Bei Knochen vom Typ D3 und D4 erzielt man höhere Drehmomente, wenn das Implantatbett verdichtend im Sinne der Osseodensifikation aufbereitet wird [5, 18].
Gerade im Oberkiefer kann es auch bei ausreichendem Knochenangebot schwierig sein, ein Implantat mit 30 Ncm oder mehr einzubringen. Dann können dem Kieferkamm entfernte Regionen eine hohe Primärstabilität ermöglichen (remote implant anchorage im processus pterygoideus, os zygomaticum oder der lateralen Nasenwand). Zur Bestimmung des Einbringdrehmomentes verwende ich eine Drehmomentratsche. Die Bestimmung des ISQ (Implant Stability Quotient) scheint nicht notwendig zu sein [3].
Fall 1
Die damals 46-jährige Patientin war im Mai 2015 erstmals in meiner Praxis, um sich eine zweite Meinung einzuholen. Sie war weder mit der Ästhetik der Oberkieferzähne zufrieden, noch konnte sie aufgrund der starken Lockerungen verursacht durch Verlust parodontalen Attachments härtere Nahrung zu sich nehmen (Abb. 6, 7). Die Patientin war und ist Raucherin mit 10–20 Zigaretten pro Tag.
Nach der Hygienephase wurden im Juli 2015 alle Oberkieferzähne entfernt, von denen einige mit dem Smart Dentin Grinder (KometaBio, Vertrieb in Deutschland durch Champions-Implants GmbH, Flonheim) zum Auffüllen der Alveolarkammdefekte aufbereitet wurden.
Sechs Implantate der Marke Bioner Top DM (Bioner, Sant Just Desvern, Spanien) wurden gesetzt, Multi-unit-Aufbauten aufgeschraubt und abgeformt. Am nächsten Tag wurde die Brücke eingegliedert (Abb. 8). Im November 2016 war die Patientin dann letztmalig zur professionellen Zahnreinigung und reagierte auch auf Anschreiben nicht (Abb. 9).
Erst im März 2022 war sie dann wieder in der Praxis, mit der Aussage, dass sie zwischenzeitlich auch nicht anderweitig in zahnärztlicher Kontrolle stand. Die angefertigte Panoramaaufnahme zeigt im Ober- und Unterkiefer stabile Verhältnisse (Abb. 10, 11). Die Brücke wurde abgeschraubt und extraoral von Zahnstein befreit, poliert und wieder eingegliedert.
Fall 2
Ein 67-jähriger Patient stellte sich im März 2022 in meiner Praxis vor. Die Anamnese ergab einen medikamentös eingestellten Hypertonus. Der Patient war Nichtraucher. Alle noch vorhandenen Zähne zeigten einen fortgeschrittenen parodontalen Knochenabbau (Abb. 12). Der Patient hatte einen starken Würgereiz. Der insuffiziente Oberkieferzahnersatz war auf einem verbliebenen Implantat regio 16 und einem Teleskop auf Zahn 26 mit Lockerungsgrad III abgestützt (ohne Gaumenbedeckung). Sein Wunsch war es, wieder einmal gut kauen zu können. Zunächst erhielt der Patient eine Interimsprothese für den Unterkiefer (33–43 ersetzt).
Im Mai 2022 wurden für Diagnostik und Planung Ober- und Unterkiefer gescannt und ein DVT angefertigt. Aufgrund des Würgereizes kam Totalprothetik nicht infrage. Die weit nach anterior ausgedehnten Kieferhöhlen ließen Standardimplantate in diesem Bereich nicht zu [1, 7, 9, 12] (Abb. 13). Das vorhandene Implantat konnte aufgrund bereits freiliegender Gewindegänge nicht neu versorgt werden.
Anhand der 3D-Planung (MagellanX, medentis medical GmbH, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Deutschland) wurde der Patient über die Therapie im Ober- und Unterkiefer mit jeweils 6 Implantaten aufgeklärt (Abb. 14–16). Für den Oberkiefer wurden Platzierungsschablonen und ein Kiefermodell, für den Unterkiefer eine knochengelagerte Bohrschablone im 3D-Druck (Form3b , formlabs, Berlin, Deutschland) hergestellt. Die Schablonen dienten jedoch nur der Orientierung. In regio 15 und 25 wurden Noris Medical Zygomatic (Noris Medical GmbH, Frankfurt, Deutschland), in regio 18 und 28 NorisMedical PteryFit, in den anderen Regionen Noris Medical Tuff Implantate mit jeweils mindestens 35 Ncm inseriert (Abb. 17–20). Implantate im Bereich des Proc. pterygoideus ossis sphenoidalis müssen im kompakten Knochen zwischen der lamina medialis und lateralis verankert werden, um eine ausreichende Primärstabilität zu erreichen (Abb. 18).
Die eigentliche Aufbereitung des Implantatbetts erfolgt audiovisuell-taktil alternierend bohrend und durch Osteotome, gelegentlich unter krestaler Darstellung und Präparation der Kieferhöhlenschleimhaut. Die Technik ist sehr gut bei Dan Holtzclaw beschrieben [9]. Nach der Entfernung des Zahns 26 war die Kieferhöhle 1 cm weit eröffnet. Dieser Defekt und der extramaxilläre Anteil der Zygoma-Implantate (beidseitig) wurde mit einem gestielten Wangenfettpfropf verschlossen [8, 15] (Abb. 21).
Der Unterkiefer wurde im November 2022 einen Monat nach dem Oberkiefer implantiert und versorgt. Beide Behandlungen erfolgten auch aufgrund des starken Würgereizes in Allgemeinanästhesie. Die Brücken (Abb. 22, 23) wurden jeweils einen Tag nach der Implantation eingegliedert.
Diskussion
Die Sofortversorgung bei Patienten mit oft desolatem Zahnstatus ist eine anspruchsvolle Teamarbeit, wobei das Team aus Patienten, Zahntechniker, Assistenz und Prothetiker/Chirurg besteht. Dieses Team muss den Patienten auch psycho-emotional führen und begleiten. Der plötzliche Zahnverlust stellt eine große Belastung dar. Es sollten keine falschen Versprechungen gemacht werden, sondern die patientenindividuelle Situation verdeutlicht werden.
Das anhand der beiden Fälle gezeigte Protokoll wird in meiner Praxis seit 2015 angewendet (Tab. 1). In der Patientenaufklärung wird betont, dass eine Sofortversorgung nicht immer möglich ist und womöglich zunächst eine totale Prothese angefertigt werden muss. Der Patient wird auch darauf hingewiesen, dass nach mindestens einem Jahr mit der titanverstärkten Kunststoffbrücke auch eine Keramikbrücke angefertigt werden kann. Bisher hat dieses Angebot kein Patient wahrgenommen. Die gingivalen Verhältnisse zeigen sich auch bei kunststoffverblendeten Brücken mit adäquater Versiegelung und Politur regelmäßig reizlos. Die Patienten erhalten spezielle Mundhygiene-Instruktionen und Empfehlungen für die zu verwendenden Bürsten, Zahnseiden und Mundduschen.
Versorgte Kiefer | m | w | OK | UK | Implantate | Verluste | Überleben |
58 | 27 | 31 | 33 | 25 | 290 | 9 | 96,9% |
Tab. 1: Anzahl der Sofortversorgungen mit Titan-Kunststoffbrücken von 2015–2022 |
Anmerkungen zur Tabelle 1
Zwischen 2015 und 2022 wurden von mir insgesamt 58 Kiefer mit der oben beschriebenen Technik versorgt. Nicht alle Patienten erscheinen noch zu regelmäßigen Kontrollen in meiner Praxis. Bei den Implantatverlusten handelt es sich um Verluste während der ersten 3 Monate nach Versorgung, wobei es zu einem Totalverlust einer Brücke auf 6 Implantaten im Unterkiefer kam, wahrscheinlich aufgrund eines Bruxismus‘ des Patienten.
Bei diesem Patienten wurden erneut 6 Implantate gesetzt, die aber erst nach 3-montatiger Einheilzeit versorgt wurden. Bei den anderen 3 Verlusten (bei 3 Patienten je ein Implantat) musste nicht nachimplantiert und die Prothetik nicht geändert werden (der Bereich der Multi-unit-Aufbauten wurde basal mit Komposit verschlossen), da die jeweils 5 verbliebenen Implantate ausreichende Stabilität gewährleisteten.
Fazit
Auch mit analogen Techniken lassen sich verschraubte Brücken für den zahnlosen Kiefer herstellen, die als definitive Versorgung für einen hohen Patientenkomfort bei vergleichsweise geringen Kosten sorgen.
Interessenkonflikte: Der Autor Dr. Dirk Mankow erhält Honorare für Vorträge von der Firma Noris Medical GmbH.
Literatur
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