Compliance für ChatGPT & Co.

Künstliche Intelligenz (KI) in der Zahnmedizin – Teil 1

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Schlüsselwörter: ChatGPT KI Künstliche Intelligenz dentalen Assistenzsysteme

Akteure und Verantwortliche in der Zahnmedizin sind gefordert: Sie müssen sich mit den Themen aus dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) auseinandersetzen und aktuell mit ChatGPT & Co.

Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht es, dass Maschinen und Geräte sehen, lesen, sprechen und zuhören können und so Menschen in zahlreichen Arbeitsbereichen unterstützen. Auch die Zahnmedizin nutzt zunehmend die Optionen der KI-Technologie. So soll einem Forschungsteam in China bereits 2017 eine erfolgreiche Zahnimplantation gelungen sein, die vollkommen autonom von einem OP-Roboter durchgeführt wurde. In Deutschland hingegen liegt der Fokus der KI auf den dentalen Assistenzsystemen für die Dia­gnostik. Gerade in diesem Bereich können KI-Lösungen ihre Möglichkeiten entfalten und Zahnärztinnen und Zahnärzte bei ihrer Arbeit helfen.

So benötigt die korrekte Analyse von dentalen Röntgenbildern i.d.R. viel Zeit. Der Zahnarzt benötigt Erfahrung, um auf dieser Basis eine adäquate Therapie für einen Patienten zu entwickeln. Hier kommt die KI-gestützte Röntgenanalyse zur Anwendung: Auf den digitalen Bildern kann die Software in wenigen Sekunden Befunde in der Darstellung verlässlich ausmachen. Erkrankungen wie Karies oder Parodontitis, Zahnversorgungen wie Implantate, Kronen oder Wurzelfüllungen werden erkannt, farblich markiert und vollautomatisch dokumentiert. Die Befunde sind durch eine farbliche Markierung auch für Patienten leichter zu verstehen. In nächster Zukunft könnte z.B. die Zahnbürste mittels einer entsprechend geschulten KI-Software bei der Zahnpflege zu Hause die Zähne scannen und die Bilder in eine Cloud hochladen. Dort können die Bilder von der KI auf Frühstadien von Karies und Zahndefekten analysiert und diese Information unmittelbar an die Patientinnen und Patienten selbst oder gleich an die behandelnde Zahnarztpraxis weitergeleitet werden.


Generative KI. Mit dem Begriff „Generative KI“ wird jene Technologie bezeichnet, die neue Inhalte produzieren kann, indem sie vorhandene Texte, Audiodateien oder Bilder verwendet und neu umsetzt. Mit generativer KI erfassen Computer das zugrunde liegende Muster im Zusammenhang mit der Eingabe und produzieren ähnliche Inhalte. Entscheidend dafür sind künstliche neuronale Netze mit modernsten Lernalgorithmen, einer enormen Rechenleistung, die mit gewaltigen Datenmengen (insbesondere von Alphabet, Meta) trainiert wurden.

Generative künstliche Intelligenz (KI) ist eine Version von KI, die Maschinen befähigt, nicht nur zu lernen, sondern auch verborgenes Wissen in der Datenflut zu finden und zu integrieren, was zu neuen Einsichten führen kann. Es handelt sich dabei um eine neue Technologie, die menschenähnliche Fähigkeiten demonstriert, z.B. Gato (Schachspiel, Texte, Bilder, Atari-Spiele, Roboterarme), Dall-E, PaLM, OPT, LamDA, GANs, Deepl, you.com sowie Bard oder GPT-3/4 (Sprachmodell).

Vorteile der KI

  • Die Technik wird für die Verbesserung der Bildqualität genutzt (Upscaling); zudem könnte bei der Speicherung und Auslieferung der Bilder Speicherplatz und Bandbreite gespart werden.
  • Erstellung von Texten: Der Ableger und Prototyp ChatGPT des KI-Sprachmodells GPT-3 von OpenAI wurde am 30.11.22 veröffentlicht und ist seitdem für jeden frei zugänglich und kostenlos.

Zukunftsthese

  • KI-Chatbot-Systeme werden zum persönlichen Lernbegleiter und somit zu einem individualisierten Lern-Bot. Der nächste Innovationsschub, das KI-Sprachmodell GPT-4 steht schon bereit!
  • Im Gesundheitsbereich wird KI eingesetzt, um neue Wirkstoffe zu identifizieren.
  • Die Technik liefert neue Ideen und unterstützt die Produktentwicklung.
  • Automatische Code-Generierung in der Software-Entwicklung.

Gefahren der KI

Die bekanntesten Gefahren sind Deepfakes. Bilder, Tonaufnahmen sowie Videos von Personen oder Ereignissen, die es so nicht gibt oder die so nicht passiert sind, aber wie echt aussehen.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technologie wird es immer komplexer, Fakes zu erkennen. Daraus kann ein persönlicher Schaden, Schaden für eine Gruppe oder Organisation bis hin zu Schaden für eine ganze Gesellschaft entstehen.

Über diese Gefahren, Bedrohungen und Gegenmaßnahmen informiert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), wie folgt:

  • Überwindung biometrischer Systeme (z.B. Fernidentifikationsverfahren)
  • Social Engineering (z.B. „CEO-Fraud“, bei dem die Stimme des CEO geklaut wird)
  • Desinformationskampagnen (manipulierte Medieninhalte von Schlüsselpersonen)
  • Verleumdung (Rufschädigung durch Verbreitung von Unwahrheiten)

Das BSI leistet zudem Aufklärung und stellt Präventionsmaßnahmen vor:

  • Aufklärung durch Schulung potenziell betroffener Personen
  • Artefakte bei Gesichtsmanipulation (z.B. verwaschene Konturen bei Zähnen und Augen)
  • Artefakte bei synthetischen Stimmen („metallischer“ oder monotoner Sound, falsche Aussprache einzelner Wörter)
  • Nutzen von kryptografischen Methoden bei der Datenübertragung (Verschlüsselung)
  • Automatisierte Detektion (KI-Verfahren).


ChatGPT & Co.

Derzeit wird intensiv über ChatGPT diskutiert, den revolutionären neuen Chatbot des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI. Bots (von englisch robot ‚Roboter‘) sind digitale Werkzeuge. Darunter subsumiert man ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben erledigt, ohne dabei einer Interaktion mit einem Menschen unterworfen zu sein. GPT ist die Abkürzung für „Generative Pretrained Transformer“. ChatGPT nutzt künstliche Intelligenz, um insbesondere menschliche Sprache zu verstehen und so eine der menschlichen Sprache ähnelnde Antwort in verschiedenen Sprachen zu erzeugen.

An ChatGPT & Co. kommt man auch in der Zahnmedizin nicht vorbei. In vielen Medien werden bereits vielfältige neue mögliche Anwendungsfälle präsentiert. Da auch Sprache Mustern folgt, ist sie eine eindrucksvolle Möglichkeit, das Potenzial der KI sichtbar zu machen. So können ChatGPT & Co. die Terminorganisation jedweder Art, die Beantwortung von einfachen Anfragen oder auch das Abrechnungsmanagement in einer Praxis unterstützen. Dies spart Zeit und kann gleichzeitig die Verfügbarkeit dieser Systeme für Patienten erweitern, da die virtuellen Assistenten auch außerhalb der regulären Praxisöffnungszeiten jederzeit zugänglich sind.

Gerade im Verwaltungsbereich können ChatGPT & Co. hilfreich genutzt werden. Die Künstliche Intelligenz kann die Einsatzpläne für die ambulanten Dienste erstellen, Schichtdienste organisieren, Dokumentationsaufgaben übernehmen sowie bei Arztbriefen unterstützen. Zudem werden auch Anwendungsmöglichkeiten in den Bereichen Diagnostik, Entwicklung von Behandlungsplänen, Medikamentenmanagement sowie bei klinischen Studien gesehen.

Des Weiteren können an den Bot (ChatGPT & Co.) Anfragen von Personen über Personen gestellt werden. Diese lassen Folgerungen auf deren Interessen sowie auch auf deren Seelenleben und Gesundheitszustand zu. Beziehen sich die Fragestellungen auf dritte Personen, sind auch deren Rechte zu berücksichtigen. ChatGPT & Co. beantworten auch Fragen zu Grenzsituationen des menschlichen Lebens, sodass insoweit kein Unterschied zu einem Therapie-Bot besteht.

Werden Arzt und Ärztin obsolet?

Bei vielen sich rapide entwickelnden Technologien gibt es die Befürchtung, dass Maschinen – oder in diesem Fall Computer und neuronale Netze – den Menschen sowie bestimmte Berufe insgesamt ersetzen könnten. Das ist jedoch nicht wahrscheinlich. In der Zahnmedizin spielt – wie in allen medizinischen Bereichen – die menschliche Interaktion eine herausragende Rolle.

Je weniger Zeit ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin für komplexe Aufgaben in der Diagnostik oder Dokumentation benötigt, desto besser kann er/sie sich um den Patienten im Behandlungsstuhl kümmern. Künstliche Intelligenz erleichtert zahlreiche monotone und immer wiederkehrende Aufgaben in der Praxis, entlastet damit Behandler und Mitarbeiter und wirkt sich positiv auf das Wohl von Versicherten und Patienten aus.

Kommentar

ChatGPT & Co. werden von zahlreichen Menschen schon regelmäßig verwendet. Doch man sollte der KI nicht alles anvertrauen, vorsichtig damit umgehen und keine Geheimnisse verraten. Denn zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich nicht wirklich erkennen, wohin das führt. So haben Forscher beispielsweise in einem Experiment bereits personenbezogene Daten aus ChatGPT extrahiert. Unklar ist auch, wie die eingegebenen Daten benutzt werden. Geben Sie daher niemals sensible Informationen, wie Telefonnummern, E-Mails oder Passwörter über sich selbst oder Ihre Praxis weiter, andernfalls könnten diese durch Zufall oder ganz gezielt (möglicherweise auch durch Cyberangriffe) öffentlich werden.

Dem Leser wird dringend empfohlen, sich ziel-, zukunfts- sowie lösungsorientiert und kritisch mit den neuen und innovativen Themenfeldern der KI und ihren Auswirkungen auf die Zahnmedizin zu befassen. Denn wie sagte schon Victor Hugo 1877: „On résiste à l´invasion des armées; on ne résiste pas à l´invasion des idées” – „Man kann der Invasion von Armeen Widerstand leisten, nicht aber einer Invasion von Ideen“.

Fragen zu Ethik-Leitlinien, Stellungnahmen sowie der EU-Verordnungsentwurf für KI und zu dem Rechtsrahmen für den Einsatz von ChatGPT & Co. mit Urheber-, Datenschutzrecht sowie zur Nutzung in Texten werden in der nächsten Ausgabe der ZZI behandelt.

Prof. Dr. iur. Heinrich Hanika forscht und lehrt an der Semmelweis Universität Budapest sowie an den Hochschulen Berlin, Stuttgart sowie Ludwigshafen. An der Hochschule Ludwigshafen leitet er das Zentrum für Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das Zentrum ebnet den Weg zu Datenschutz-Audits für Einrichtungen und Unternehmen im Gesundheitswesen und bietet Praxisseminare mit den Themenfeldern Künstliche Intelligenz, Digitale Transformation, Datenschutz sowie Informationssicherheit an.
Informationen: www.h-hanika.eu

Literatur

  1. BSI – Deepfakes – Gefahren und Gegenmaßnahmen (bund.de), 13.08.2022
  2. DentNet/Indento Managementgesellschaft mbH: KI – Künstliche Intelligenz in der Zahnmedizin, 28.03.2023
  3. Hanika H: Künstliche Intelligenz, Robotik, und autonome Systeme, in: Hanika H (Hrsg.), Digitalisierung und Big Data im Universum des Rechts, 2. Aufl. 2021: S. 267 ff.
  4. Hanika H: ChatGPT & Co. – Künstliche Intelligenz (KI) in der Pflege, PflegeRecht 2023, H. 04, S. 190 ff. m.w.N.
  5. Hannemann P: Experten warnen vor ChatGPT: Darum sollten Sie damit vorsichtig umgehen, Chip, 28.03.2023
  6. Hugo V: Histoire d´un crime – Déposition d´un Témoin, 1877: S. 600
  7. Matthees J: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen, Künstliche Intelligenz in der Pflege: Führt ChatGPT demnächst das Patientengespräch?, 13.02.2023
  8. Schwartmann R: Welche Regeln für ChatGPT & Co. gelten – und was wir noch tun müssen, FAZ, 16.02.2023, S. 16
  9. Witte T: KI in der Zahnmedizin – Blase oder Zukunft, ZWP online, 20.03.2023
  10. Zaiser: Generative AI, Fallstudie HdM Stuttgart, 03.09.2022, S. 5, S. 10 ff., m.w.N.

Weitere Angaben und Literatur dazu beim Verfasser.


(Stand: 02.06.2023)

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