Von der Chirurgie im Wachstumsalter über digitale Volumetomographie bis zur Osteonekrose

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L. Tischendorf

Traditionsgemäß hat sich die Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie zu Himmelfahrt 2009 in Wiesbaden getroffen, diesmal zusammen mit Oralpathologen und Röntgenologen unter der Tagungsleitung der jeweiligen 1. Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. Torsten Reichert (Regensburg), Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel (Bochum) und PD Dr. Dirk Schulz (Freiburg). Es folgten etwa 360 Teilnehmer der Einladung, die hoch interessiert waren und zu einem moderaten Preis ein wissenschaftlich anspruchsvolles Programm erleben konnten. Umrahmt war der wissenschaftliche Teil von Workshops seitens der Industrie, zur Fachkunde Strahlenschutz und Dentale Volumentomographie, zu Vorläuferläsionen des Mundhöhlenkrebses und einem Seminarzyklus für zahnärztliche Chirurgie.

Zukunftsperspektive von
Ersatzmaterialien

Das erste Hauptthema widmete sich dem Einsatz biologischer und synthetischer Materialien in der Kieferchirurgie. Prof. Dr. Jürgen Becker (Düsseldorf) und Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake (Göttingen) beleuchteten den gegenwärtigen Stand und Zukunftsperspektiven von Ersatzmaterialien, wobei sie sich auf umfangreiche eigene Studien – auch mit Irrwegen – stützen konnten.

Als offenes Problem wurde der Gefäßanschluss von Ersatzmaterialien deutlich. Kurzvorträge akzentuierten Einzelprobleme, von denen Mitteilungen zu innovativen modellierbaren Knochenzementen erwähnt werden sollen.

Das zweite Hauptthema betraf die Kieferchirurgie im Kindes- und Jugendalter. PD Dr. Yango Pohl (Bonn) demonstrierte chirurgische Möglichkeiten zum Zahnersatz im Kindesalter, was durch Kurzvorträge (prospektive Langzeitstudie nach Replantation avulsierter Oberkieferzähne, Regeneration von Gewebedefekten durch Transplantation von Prämolaren – beides allerdings an sehr kleinen Patientenkollektiven) vertieft wurde. Prof. Dr. Dr. Torsten Reichert stellte moderne Anschauungen zu odontogenen Tumoren im Kindesalter vor.

Bisphosphonat-assoziierte
Osteonekrose

Im Rahmen der Hauptthemen, der freien Vorträge und des Tages der Forschung wurden eine Fülle interessanter Beiträge zu einem weiten Spektrum vorgestellt. Ich greife hier die Analyse von Markern für Tumoren und deren Vorstadien wie die MAGE-E oder die HIF-1 alpha-Expression heraus, auch wenn ihre Relevanz noch nicht endgültig bewertbar ist.

Im Rahmen des AKOPOM prämiert wurde ein Vortrag von PD Dr. Stephan Schwarz et al. (Erlangen). Er zeigte, dass sich Expressions- und Genstatus von Wachstumsfaktorrezeptor-Tyrosinkinasen bei Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle einerseits und des Oropharynx und Larynx andererseits unterscheiden, wobei die prognostisch ungünstige HER1 Überexpression und Genamplifikation beim oralen Karzinom eine Begründung für eine zielgerichtete Anti-EGFR-Therapie darstellen könnte. Auch der Preis für den besten Erstlingsvortrag ging in die Onkologie (Dipl.-Biologe Oliver Felthaus et al. aus Regensburg zur Expression einer Reihe von Tumormarken in Stammzellen des oralen Plattenepithelkarzinoms). Die Vorträge anlässlich der AG Röntgenologie können im Einzeln nicht besprochen werden. Die bisphosphonat-assoziierte Osteonekrose stand im Mittelpunkt der AKOPOM. Prof. Dr. Dr. Hendryk Terheyden sprach zur Pathophysiologie der herkömmlichen Osteomyelitis. PD Dr. Torsten Hansen (Mainz) stellte aus Sicht des Pathologen Morphologie und Konzepte zur Pathophysiologie für die bisphosphontat-assoziierten Osteonekrose sehr klar dar. Morphologisch hatte seine Arbeitsgruppe sehr früh die in ihrer Rolle noch unklare Besiedlung mit Aktinomyzeten beschrieben. Aus der Fülle der rasch anwachsenden und kaum überschaubaren Literatur wurde ein akzeptables Konzept zur Pathophysiologie entwickelt, das sicher wegen des enormen aktuellen Wissenszuwachses in Details zu präzisieren ist. Sebastian Hoefert (Recklinghausen) besprach neben der Klinik die noch weniger überschaubaren aktuellen Therapieempfehlungen; sie variieren in Abhängigkeit vom selbst gestellten Therapieziel. Diese Vorträge trafen auf höchste Resonanz und wurden lebhaft diskutiert. Sie zeigten ein Wissensgebiet, das sich im Fluss befindet, dessen Versuch einer geistigen Ordnung zwingend erforderlich ist, welcher aber nur vorläufigen Charakter haben kann. Die Hauptvorträge wurden ergänzt durch Kurzvorträge und Poster. Einer dieser Beiträge (Dr. Philipp Stockmann et al. aus Erlangen mit einer prospektiven Ein-Jahresanalyse an 65 Fällen zur frühzeitig eingesetzten chirurgischen Therapie mit einer Erfolgschance von 90 %) wurde von der AGKi als bester wissenschaftlicher Vortrag prämiert. Interessant und mit 44 Beiträgen für die kleine Tagung zahlreich waren die Poster. Prämiert wurde Elisa Ewers et al. aus Regensburg zur massenspektrometrischen Analyse (SELDO TOF-MS) oraler Bürstenbioptate, die verschiedene Stadien der malignen Transformation zu reflektieren scheint.

Distraktionsosteogenese des Alveolarfortsatzes

Der letzte Tag war den stets auch unterhaltsamen Disputationen gewidmet. Dazu standen sich unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. Stefan Hassfeld (Dortmund) gegenüber die PD Dr. Dirk Schulze (Freiburg) Pro und Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner (Mainz) Kontra zur These, dass die CT/DVT-Bildgebung für kieferchirurgische Zwecke nicht mehr ersetzbar sei und unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. Joachim Zöller (Köln) sowie Prof. Dr. Dr. Johannes Hidding (Mönchengladbach) und Dr. Dr. Konrad Wangerin (Stuttgart) zur These, die Distraktionsosteogenese des Alveolarfortsatzes bliebe Sonderindikationen vorbehalten. In den Streitgesprächen wurden Möglichkeiten und Grenzen so diskutiert, dass ein recht klares Gesamtbild zum heutigen Erkenntnisstand herausgearbeitet wurde.

Fazit

Es waren drei sehr ergiebige Tage, die zeigten, welche Fülle von Problemen mit unterschiedlichen Ansätzen qualitativ hochwertig wissenschaftlich bearbeitet wird. Die Arbeitsgemeinschaften werden sich mit allen Teilorganisationen der DGZMK im November 2011 in Frankfurt am Main zu einem großen Gemeinschaftskongress wieder treffen.

L. Tischendorf, Halle/Saale


(Stand: 27.04.2011)

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