Einleitung
Die Bedeutung des periimplantären Weichgewebes ist ein aktueller Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Diskussion. Neben den Aspekten der Rot-Weiß-Ästhetik und der harmonischen Kieferkontur, die vor allem im sichtbaren Bereich der Oberkieferfront eine große Rolle spielen, wird auch der Einfluss des Weichgewebes auf die Erhaltung der Implantatgesundheit untersucht. Eine adäquate „biologische Breite“ könnte Einfluss auf die Stabilität des marginalen Knochenniveaus haben, ausreichende Keratinisierung erleichtert die lokale Plaquekontrolle und kann somit helfen, einer periimplantären Mucositis vorzubeugen.
Chirurgische Maßnahmen zur Modifikation des periimplantären Weichgewebes können dabei zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen. Standardverfahren sind das subepitheliale Bindegewebstransplantat und das freie Schleimhauttransplantat, auch Ersatzgewebe können zum Einsatz kommen.
Darüber hinaus bieten angepasste Techniken zum Zeitpunkt der Implantatfreilegung die Gelegenheit, sowohl die periimplantäre Weichgewebsdicke als auch die Keratinisierung mit einfachen Mitteln zu verbessern.
Schlüsselwörter: Freilegungsoperation, Implantateinheilung, Mukosa, periimplantäres Weichgewebe
Zitierweise: Rugani P: Die Freilegungs-OP nach gedeckter Implantateinheilung. Z Zahnärztl Implantol 2023; 39: 156–161
DOI.org/10.53180/ZZI.2023.0156–0161
Freilegungsoperation nach gedeckter Implantateinheilung
Die publizierten Erfolgsraten in der Implantologie sind seit Jahrzehnten konstant hoch. Was sich geändert hat, sind die Kriterien zur Beurteilung des Implantaterfolgs.
Neben dem reinen Implantatüberleben und einem osseointegrierten Implantat ohne krestalen Knochenverlust sowie Beschwerde- und Entzündungsfreiheit zählen auch ein ausreichendes Band an fixierter keratinisierter Mukosa bei einer insgesamt adäquaten Weichgewebsdicke dazu. Ziel ist es, möglichst günstige Voraussetzungen für einen langfristigen Erfolg zu schaffen.
Die Freilegungsoperation ist der ideale Zeitpunkt, um die Einheilung eines Implantats hinsichtlich dieser Kriterien zu bewerten bzw. die Notwendigkeit von zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu evaluieren.
Idealerweise zeigt sich zum Zeitpunkt der Wiedervorstellung die mukosale Bedeckung des Implantats intakt und entzündungsfrei. Abweichend von einer idealen Ausgangslage sind folgende Befunde denkbar:
- fehlende keratinisierte Schleimhaut
- mukosale Bedeckung zu dünn
- inflammiert, evtl. Fistel
- dehiszent, klinisch bland
- dehiszent, inflammiert
Methoden zur Freilegung
Stanzung
Bei idealen Verhältnissen mit einem ausreichenden breiten Band keratinisierter Schleimhaut und guter Schleimhautdicke (2–4 mm) ist es eine naheliegende Option, die Schleimhaut zu stanzen (Abb. 1a–c). Voraussetzung dafür ist, dass die Implantatposition bekannt ist, was vor allem bei größeren Lücken bis hin zum zahnlosen Kiefer und multiplen Implantaten schwierig sein kann. Erfolgte die Implantatinsertion navigiert, empfiehlt es sich, die Navigationsschiene erneut als Orientierungshilfe heranzuziehen. Darüber ist die Anwendung von elektronischen Hilfsmitteln zur Implantatdetektion beschrieben (z.B. Spotter Smart Implant Detector, Forumtec, Ashkelon, Israel).
Vorteil der Stanzung ist das lappenfreie Vorgehen und die geringe Gewebsverletzung, wodurch mit keinen oder nur minimalen postoperativen Beschwerden zu rechnen ist und sich rasch eine stabile Weichgewebssituation einstellt. Neben der klassischen Gewebestanze ist in der Literatur dafür vor allem auch die Anwendung von chirurgischen Lasern beschrieben, bei der mögliche postoperative Beschwerden nochmals minimiert und die Weichgewebsheilung weiter beschleunigt sein sollen [8].
Nachteil der Stanzung ist, dass es zu einem Verlust an keratinisierter Mukosa kommt, und keine ästhetischen Korrekturen vorgenommen werden können.
Dünne mukosale Bedeckung, keine oder zu wenig keratinisierte Mukosa
Erscheint die mukosale Bedeckung des Implantats zu dünn oder ist keine oder nicht genügend keratinisierte Schleimhaut vorhanden, ist die Indikation zu einer Weichgewebsaugmentation gegeben. Beträgt das Band an keratinisierter Mukosa um Implantate weniger als 2 mm, ist die Hygiene erschwert, es kommt zu mehr Plaque-Akkumulation und schlussendlich auch zu einer signifikant höheren Inzidenz an Periimplantitis [7].
Das primäre Ziel einer Verdickung des Weichgewebes ist oft die ästhetische Korrektur von Volumendefiziten. Daten bezüglich eines biologischen Effektes im Sinne einer Verbesserung der periimplantären Gesundheit sind nur unzureichend vorhanden. Es gibt jedoch Hinweise, dass dünnes mukosales Gewebe eher mit krestalem Knochenverlust bzw. krestalem Bone remodelling assoziert als dicke periimplantäre Mukosa [6, 9].
Ein anderer Aspekt ist die vertikale Weichgewebsdicke, also die Höhe des „periimplantären Kragens“. Liegt die Implantatschulter etwa 2–3 mm unter dem Gingivalrand, lässt sich in der Regel ein harmonisches Emergenzprofil gestalten und das Risiko von optisch zu kurzen Kronen wird reduziert [6]. In einem Review kalkulierten Díaz-Sánchez außerdem, dass eine vertikale Weichgewebsdicke über 2 mm zu weniger marginalem Knochenverlust führt [3].
Subkrestal inserierte Implantate haben per se eine höhere vertikale Mukosadicke als epikrestal positionierte Implantate [1]. Die vertikale Dimension der Schleimhaut besteht aus dem Sulkusepithel und dem suprakrestalen bindegewebigen Gewebeansatz. Die Anhaftung des Bindegewebes wird von der apikalen Grenze des anhaftenden Epithels bis zum ersten Kontakt zwischen Knochen und Implantat gemessen, während die vertikale Abmessung des Epithels vom Schleimhautrand bis zur apikalen Grenze des anhaftenden Epithels gemessen wird.
Präklinische Untersuchungen und eine Humanstudie zeigten, dass der Schleimhautansatz einen epithelialen und einen bindegewebigen Anteil von etwa 1,5–2 bzw. 1–1,7 mm umfasste. In Bezug auf das Barriereepithel ergab die Metaanalyse statistisch signifikant höhere Dimensionen der Epithellänge bei subkrestal platzierten Implantaten. Umgekehrt wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen äquikrestaler und subkrestaler Implantatposition für die Bindegewebslänge beobachtet [10].
Auch anatomische Faktoren tragen zur vertikalen Mukosadicke bei. Besonders ausgeprägt zeigt sich dies oft im distalen Oberkiefer. Klinische Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass die Sondierungstiefe gesunder periimplantärer Mukosa oft mehr als 4 mm (60 % bis 63 %) und mehr als 6 mm (15 % bis 23 %) betragen kann und dass erfolgreiche Implantate mit über 18 Jahren Funktion eine Sondierungstiefen-Vorgeschichte von bis zu 9 mm aufweisen können [2]. Ist die vertikale Mukosadicke sehr ausgeprägt, führt dies aber auch unweigerlich zu einer tiefer liegenden Implantat-Abutment-Verbindung, die folglich für Hygienemaßnahmen schwieriger zugänglich ist. Zhang et al. konkludierten in ihrer Studie, dass das Periimplantitisrisiko um das 1,5-Fache steigt, wenn die vertikale Weichgewebsdicke um 1 mm zunimmt [11].
Durch eine angepasste Technik kann das periimplantäre Weichgewebe auch zugleich mit der Implantatfreilegung verändert werden.
Midkrestale Inzision
Die midkrestale Inzision kann bei der Freilegung eines oder mehrerer Implantate eingesetzt werden. Nach der Inzision werden die Wundränder sowohl bukkal als auch lingual aufgestellt, und die Position durch Nähte um die Gingivaformer fixiert. Der dichte Wundverschluss wird dabei nicht angestrebt. Durch sekundäre Granulation im Bereich des „freien Raumes“ zwischen den Wundrändern bzw. mehreren Gingivaformern verdickt sich aktiv das suprakrestale Weichgewebe (Abb. 2a/b).
Nach palatinal versetzte Inzision
Eine Abwandlung der midkrestalen Inzision ist die nach palatinal versetzte Inzision, die sich aufgrund der keratinisierten Schleimhaut am Gaumen vor allem im Oberkiefer anbietet. Der weiter palatinal liegende Schnitt führt zu einer „Verlängerung“ des bukkalen Anteils der anschließend aufgestellten Wundränder, um dort optisch ein höheres Niveau zu erreichen. Durch eine zusätzliche Scallopierung des Wundrandes mit dem Skalpell kann ein girlandenförmiger Verlauf nachgeahmt werden, um so das ästhetische Ergebnis zu verbessern.
Weder die midkrestale Inzision noch die nach palatinal versetzte Inzision führen zu einer Verdickung der bukkalen Weichgewebsmanschette bzw. zu einer Verbreiterung der festanhaftenden keratinisierten Mukosa.
Rolllappen
Der Rolllappen ist eine einfache Technik zur Verdickung der bukkalen Weichgewebsbedeckung. Er kann nach einem Schnitt um einzeln stehende Implantate oder nach einem nach palatinal versetzten Schnitt um mehrere Implantate durchgeführt werden.
Der Grundgedanke der Technik ist es, das bukkale Weichgewebe durch den krestalen Anteil der lokalen Mukosa bzw. bei noch weiter versetztem Schnitt auch Anteile der palatinalen Mukosa zu verdicken. Dafür werden diese Anteile der Mukosa deepithelialisiert und anschließend in eine bukkale präparierte Tasche eingeschlagen und mit einer Naht fixiert. Die Tasche wurde zuvor im Sinne eines bukkalen Spaltlappens angelegt.
Beim Anlegen der krestalen Schnitte sollte darauf geachtet werden, einen Abstand von 1 mm zum Sulcus der Nachbarzähne zu respektieren, um die Papillen zu erhalten. Die Länge der vertikalen Schnitte nach palatinal bestimmt das Ausmaß des Gewebes, das nach bukkal eingeschlagen wird. Gestaltet man die Schnitte nach palatinal trapezförmig, kann die Weichgewebsaugmentation auch in die mesialen und distalen bukkalen Aspekte fortgeführt werden.
Werden die Schnitte nach bukkal über die Verbindungslinie des Sulcus der angrenzenden Zähne hinausgeführt, besteht die Gefahr, dass es zu sichtbarer Narbenbildung kommt.
Zur Gestaltung der bukkalen Tasche eignen sich Mikro-Instrumente sowie Instrumente zur Tunnelierung besonders. Die Präparation sollte weit genug geführt werden und die Papillen einschließen, um eine Abflachung des interdentalen Gewebes möglichst zu verhindern (Abb. 3a–f).
Der größte Vorteil des Rolllappens ist die simple Technik zur Verdickung des Weichgewebes, ohne dass eine zweite OP-Stelle zur Gewebsentnahme nötig ist. Nachteil der Technik ist, dass die Verdickung nur lokal begrenzt in der entsprechenden Lappenbreite möglich ist. Bei der Anwendung bei multiplen Implantaten kann durch das Einschlagen des Lappens nach bukkal kein girlandenförmiger Verlauf der Mukosa imitiert werden.
Hürzeler und Zuhr empfahlen 2010, das palatinale Gewebe als Volllappen nach bukkal zu schlagen, um mehr Gewebe für die Augmentation zu erhalten [4]. Die Deckung des palatinalen Defektes erfolgte dabei mit einem koronal-repositiertem „Sliding flap“ nach Tinti und Parma-Benfenati. Um das Emergenzprofil weiter zu optimieren, installierten sie darüber hinaus in derselben Sitzung eine provisorische Krone und fixierten die Gewebe unter koronalem Zug, indem die Nähte über eine Verblockung der Kontaktpunkte geführt wurden.
Verschiebelappen
Fehlt bukkal die keratinisierte Mukosa bei insgesamt aber guter Weichgewebsdicke, bietet es sich im Oberkiefer an, Teile der palatinalen Mukosa nach bukkal zu verschieben (bukkaler Verschiebelappen bzw. apikal repositionierter Lappen). Diese Situation ergibt sich zum Beispiel, wenn an gleicher Stelle zuvor eine Rehrmann-Plastik durchgeführt wurde (Abb. 4a–d).
Der krestale Schnitt wird dabei weiter palatinal positioniert und wie beim klassischen apikalen Verschiebelappen ein Spaltlappen nach bukkal präpariert. Dieser sollte nicht zu dick gestaltet sein, um durch das Zusammenschieben des Gewebes an der Lappenbasis ein allzu starkes Aufwölben zu verhindern (Abb. 5a–f).
Auch nach einer midkrestalem Inzision kann suprakrestales Gewebe durch ein apikales Verschieben der suprakrestalen keratinisierten Mukosa, wenn auch nicht im selben Ausmaß als wenn das Gewebe von palatinal gewonnen wird, das Band an fest anhaftender keratinisierter Mukosa verbreitert werden. Dies bietet sich vor allem im Unterkiefer an, insbesondere wenn primär ein dicker periimplantärer „Kragen“ vorhanden ist.
Gleichzeitige Weichgewebsaugmentation mit subepithelalem Bindegewebstransplantat
Das subepitheliale Bindegewebstransplantat ist das Standardvorgehen zur Verdickung des Weichgewebes um Zähne und Implantate, nachdem das Implantat mit einem krestalen Schnitt freigelegt und danach nach bukkal ein Spaltlappen präpariert wurde.
Dabei wird das vom Gaumen gewonnene Bindegewebe bukkal auf das bindegewebsfreie Empfängerbeet aufgebracht und mit Nähten möglichst unverschiebbar fixiert. Danach wird der Mukosalappen über dem Transplantat verschlossen.
Als Alternative können anstelle von eigenem Bindegewebe auch xenogene Kollagenmatrices eingesetzt werden, wodurch keine Gewebsentnahme nötig ist und die damit verbundene Morbidität entfällt. Studien zeigen jedoch, dass man mit dem subepithelialen Bindgewebstransplantat im Vergleich zu Ersatzgeweben einen höheren Pink Esthetic Score erreichen kann und der Mukosarand signifikant weiter koronal zu liegen kommt [5].
Fazit
Der Freilegungsoperation nach gedeckter Implantateinheilung wird häufig nicht genug Beachtung zuteil. Dabei eignet sich dieser Zeitpunkt besonders, um durch relativ einfache Techniken deutliche Verbesserung der periimplantären Weichgewebe zu erlangen. In Hinblick auf möglichst günstige Voraussetzungen zum langfristigen Erhalt der periimplantären Gesundheit können sowohl das Ausmaß der Keratinisierung als auch die suprakrestale und/oder bukkale Weichgewebsdicke modifiziert werden.
Interessenkonflikte: Die Autorin PD Dr. Petra Rugani gibt an, dass keinerlei Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
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- Coli P, Sennerby L: Is peri-implant probing causing over-diagnosis and over-treatment of dental implants? Journal of clinical medicine 2019; 8: 1123, doi.org/10.3390/jcm8081123
- Díaz-Sánchez M, Soto-Peñaloza D, Peñarrocha-Oltra D et al.: Influence of supracrestal tissue attachment thickness on radiographic bone level around dental implants: A systematic review and meta-analysis. Journal of periodontal research 2019; 54: 573–588, doi.org/10.1111/jre.12663
- Hürzeler M B, von Mohrenschildt S, Zuhr O: Stage-two implant surgery in the esthetic zone: a new technique. The International journal of periodontics & restorative dentistry 2010; 30: 187–19
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- Razmara F, Ghazanfari R, Shabankare GH: Laser-assisted uncovering of dental implants. J Craniomax Res 2019; 6: 151–157
- Thoma DS, Naenni N, Figuero E et al.: Effects of soft tissue augmentation procedures on peri-implant health or disease: A systematic review and meta-analysis. Clinical oral implants research 2018; 29 (Suppl 159): 32–49, doi.org/10.1111/clr.13114
- Valles C, Rodríguez-Ciurana X, Clementini M et al.: Influence of subcrestal implant placement compared with equicrestal position on the peri-implant hard and soft tissues around platform-switched implants: a systematic review and meta-analysis. Clinical oral investigations 2018; 22: 555–570, doi.org/10.1007/s00784–017–2301–1
- Zhang Z, Shi D, Meng H et al.: Influence of vertical soft tissue thickness on occurrence of peri-implantitis in patients with periodontitis: a prospective cohort study. Clinical implant dentistry and related research 2020; 22: 292–300, doi.org/10.1111/cid.12896